Eine neue Dimension des Terrors in Europa
Mit den Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris wurde eine neue Stufe der radikalmuslimischen Gewalt in Europa erreicht. Terrorismusexperte Michael E. Leiter sprach von einem „game changer“ (Paradigmenwechsel) für die westliche Welt. Die Attacken seien in ihrem Komplexitätsniveau nur mit den Anschlägen vom 26. November 2008 in Mumbai (Indien) vergleichbar, als ca. zehn Täter an zehn unterschiedlichen Stellen innerhalb kurzer Zeit 17 Explosionen auslösten, Angriffe mit Schnellfeuerwaffen starteten und Geiseln nahmen, insgesamt über 170 Menschen töteten und weit über 200 verletzten.
Bei den Anschlägen von Paris handelte es sich um koordinierte Attentate an fünf verschiedenen Orten im 10. und 11. Pariser Arrondisement sowie an drei Orten in der Pariser Vorstadt Saint-Denis. Nach Angaben der französischen Regierung wurden 130 Menschen getötet und fast 700 verletzt, darunter ca. 100 schwer. Außerdem starben sieben der Attentäter in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Attacken. Zu den Anschlägen bekannte sich der Islamische Staat.
Frankreich beantragt erstmals den EU-Bündnisfall
Die Angriffsserie an diesem Freitagabend richtete sich a) zuerst gegen die Zuschauer eines Fußballspiels im Stade de France, dann b) gegen die Gäste zahlreicher Bars, Cafés und Restaurants und schließlich c) gegen die Besucher eines Rockkonzerts im Bataclan-Theater. Es handelte sich um mehrere Schusswaffenattentate, ein Massaker mit Geiselnahme sowie sechs Detonationen, die von Selbstmordattentätern mit Sprengstoffwesten ausgelöst wurden.
Nach den Attentaten verhängte die französische Regierung den Ausnahmezustand. Eine dreitägige Staatstrauer wurde ausgerufen. Präsident François Hollande sprach von einem kriegerischen Akt und kündigte einen entschiedenen Kampf gegen den Terror an. Am 17. November 2015 beantragte Frankreich als erstes Land in der Geschichte der Europäischen Union den Beistand der anderen EU-Staaten im Rahmen der Regelungen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Art. 42 Abs. 7 des EU-Vertrags). Die europäischen Staaten sicherten ihre Solidarität zu.
Der mutmaßliche Planer der Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, ein Belgier marokkanischer Herkunft, starb wenige Tage später bei einer Razzia im Pariser Vorort Saint-Denis.
Chronologischer Ablauf der Ereignisse am 13.11.20013 in Paris
- Um 21:20 Uhr: Zwei Detonationen am Stade de France während des Freundschaftsspiels zwischen der französischen und der deutschen Fußballnationalmannschaft
- 21:25 Uhr: In der Rue Alibert werden in einer Bar und in einem Restaurant die ersten Schüsse abgefeuert, bei denen 15 Menschen getötet werden
- 21:32 Uhr: Nun werden in der Rue du Faubourg-du-Temple und der Rue de la Fontaine-au-Roi Schüsse auf die Menschen auf den Terrassen abgefeuerte. Dabei sterben fünf Menschen.
- 21:36 Uhr: In der Rue de Charonne fallen in einer Bar minutenlang Schüsse, bei denen 19 Menschen getötet werden.
- 21:40 Uhr: Ein muslimischer Terrorist sprengt sich auf dem Boulevard Voltaire, auf der Place de la République gegenüberliegenden Seite, in die Luft.
- 21:40 Uhr: Schwer bewaffnete Angreifer stürmen die Konzerthalle Bataclan. und bringen dort in den nächsten Stunden ca. 90 Menschen um, verüben unvorstellbare Massaker und Grausamkeiten (siehe unten).
- 21:53 Uhr: Dritte Detonation am Stade de France.
- 00:20 Uhr: Nach mehr als zweieinhalb Stunden stürmen endlich Einsatzkräfte der Polizei das Bataclan-Theater.
Das Massaker im Bataclan-Theater
Im Bataclan gab an diesem Abend die US-amerikanische Rockband Eagles of Death Metal ein Konzert vor ca. 1.500 Konzertbesuchern. Gegen 21:50 Uhr stiegen drei radikalmuslimische Terroristen vor dem Theater aus einem VW Polo, beschossen unvermittelt zwei junge Männer auf Fahrrädern und drangen durch die Bar und den Merchandisingstand in das Gebäude ein.
Die drei Terroristen feuerten zunächst circa zehn Minuten lang mit Kalaschnikow-Sturmgewehren in das Publikum und warfen Handgranaten in die Menge. Bereits dabei gab es viele Todesopfer und schwer Verletzte. Insgesamt wurden im Bataclan-Theater 90 Menschen ermordet. Viele Besucher versuchten, sich in den Räumen der Halle und auf den Balkonen zu verstecken, manchen gelang die Flucht ins Freie.
Nach ca. 35 Minuten trafen zwei Polizisten ein, denen es gelang, einen der Attentäter zu erschießen. Dann mussten sie sich jedoch zurückziehen und auf eintreffende Verstärkung warten, was sich für viele der Geiseln als in höchstem Grade verhängnisvoll herausstellen sollte. Denn die beiden anderen Attentäter begaben sich nun auf die oberen Ränge, wo sie Geiseln nahmen und sich verbarrikadierten.
Spezialkräfte der Polizei suchten dann später die Räume ab und befreiten nach und nach die Gäste. Ein Unterhändler der Polizei versuchte vergeblich, mit den Attentätern zu verhandeln. Gegen 00:20, nach insgesamt 2:40 Stunden kam es zum finalen Zugriff der Polizei. Nun lösten die beiden radikalen Muslime Sprengstoffwesten aus und sprengten sich selbst in die Luft. Gegen 0:50 Uhr, nach nunmehr 3:10 Stunden war die Aktion endlich beendet.
Das Grauen in den oberen Etagen
Soweit die offiziellen Angaben und das, was allgemein bekannt wurde. Was dagegen vor allem in Deutschland kaum oder gar nicht publik gemacht wurde, ist, was sich in den oberen Etagen des Bataclan-Theaters abspielte. Dies dürfte die Vorstellungskraft der meisten von uns sprengen.
Nachdem sie im unteren Bereich bereits zig Menschen mit ihren Kalaschnikows erschossen hatten, zogen sich die Attentäter mit Geiseln in die oberen Etagen zurück und verbarrikadierten sich dort. Diese Menschen haben sie nicht einfach nur umgebracht, sondern teilweise regelrecht zerstückelt und geschlachtet. Einigen wurden die Augen ausgestochen, Köpfe wurden abgetrennt. Männern wurden die Hoden abgeschnitten und in den Mund gesteckt, Frauen mit Messern die Scheide aufgeschnitten und verstümmelt. Manche Körper wurden regelrecht ausgeweidet. Ein Polizist sagte, die Bilder der Toten seien so schlimm gewesen, dass sie den Angehörigen nicht gezeigt werden konnten. Was sich in den oberen Etagen des Bataclan-Theaters abgespielt hat, wurde der Öffentlichkeit weitgehend verschwiegen, vor allem in Deutschland.
Die Täter und die Tatmotive
Zu den Anschlägen bekannte sich bereits am 14.11.2015 der Islamische Staat (IS) in einer im Internet auf Arabisch, Französisch, Englisch und Deutsch veröffentlichten Erklärung. In dieser wurden die Anschläge als „gesegneter Raubzug“ gegen das „kreuzzüglerische Frankreich“ bezeichnet. Der Erklärung ist ein Zitat aus dem Koran (Sure 59:2) vorangestellt, das sich auf die Vertreibung des jüdischen Stamms der Banū n-Nadīr im Jahr 627 durch Mohammed bezieht.
Sure 59:2: „Er (Allah) ist es, Der diejenigen vom Volke der Schrift, die ungläubig waren, aus ihren Heimstätten zur ersten Versammlung austrieb. Ihr glaubtet nicht, daß sie hinausziehen würden, und sie dachten, daß ihre Burgen sie gegen Allah schützen würden. Doch Allah kam von (dort) über sie, woher sie es nicht erwarteten, und warf Schrecken in ihre Herzen, so daß sie ihre Häuser mit ihren eigenen Händen und den Händen der Gläubigen zerstörten. So zieht eine Lehre daraus, o die ihr Einsicht habt!“
Paris wird in der IS-Erklärung als „Hauptstadt der Unzucht und des Lasters“ bezeichnet, die muslimischen Terroristen als „gläubige Gruppe der Armee des Kalifats“ gepriesen. Der Islamische Staat begründete das Attentat auf das Konzert im Bataclan damit, dass sich dort „hunderte Götzendiener in einer perversen Feier versammelt“ hätten. Das Theater hatte bis kurz vor dem Anschlag jüdische Eigentümer und war schon lange vor dem 13.11.2015 immer immer wieder massiv bedroht worden.
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Quellen: