Eindrücke & die Highschool
Ich bin erst seit sechs Wochen hier und habe schon so viel erlebt, gesehen und mir ist einiges aufgefallen. Ich werde keine Namen nennen, nur Buchstaben (oder gar nichts) um die Privatsphäre meiner Freunde zu schützen.
Allerdings glaube ich, dass so wenig Leute auf dieser Website vorbeischauen werden, dass es mir auch egal sein kann.
Aber beginnen wir erstmal beim 9. September und den darauffolgenden Tagen bis zu meinem ersten Tag an der Highschool.
Wir brauchten drei Stunden um in South Carolina anzukommen. Zwischendurch hielten wir an einer Raststätte und ich suchte die Örtlichkeiten auf. Im Store sah ich zu meiner Überraschung einen Buchständer mit Kinderbibeln, kleinen Bibeln und großen mit Ledereinband. Auch gab es eine ansehnliche Auswahl an Holzschildern mit Bibelversen und anderen Dingen.
Ich war überrascht, doch meine Freundin erklärte mir, dass das typisch für amerikanische Raststellen war. Ungefähr genauso typisch wie die amerikanische Flagge an jedem Haus oder auf dem Dollarschein der Spruch „In God we trust“.
Anschließend fuhren wir nach South Carolina und es war 1 Uhr als ich zu Bett ging.
Seltsamerweise wachte ich drei Stunden später hellwach auf, duschte mich und zog mich an, ganz verwundert darüber, dass ich, trotz meines weniges Schlafes gar nicht müde war.
Um 6 kam meine Gastmutter in die Küche und ich aß mein Pariser Sandwich vom Flughafen.
Um 6 Uhr 30 standen meine Gastgeschwister auf und bereiteten sich auf die Schule vor bis der Schulbus um 7 Uhr 25 vor der Haustür hielt und sie hinrannten und hineinsprangen.
In den nächsten zwei Tagen ging ich mit meiner Freundin und ihrer Oma ins Fitnessstudio und anschließend zu einem kleinen Park.
Aber am Samstag zeigte mir meine Gastschwester die Hühner und das zahme Reh, das sie beherbergten und am Sonntag ging es in die Kirche.
Dort wurde ich einigen Leuten vorgestellt, auch einigen Mädchen, die auf die Highschool gingen, auf die ich gehen sollte.
Der Gottesdienst war ziemlich kurz, vier Lieder, eine Ansage und eine Stunde Predigt.
Meine Freundin hatte mir angekündigt, dass meine Gastmutter beschlossen hatte, mich bereits am Montag in die Schule zu schicken, doch das schien mir zu früh und so überredete ich sie auf Mittwoch.
Also verbrachte ich Montag und Dienstag damit im Dollar General und in Second-Hand-Stores einkaufen zu gehen (oder vielmehr, mich umzusehen) und am Mittwoch fuhr meine Gastmutter mich in die Highschool.
Wie die typischen Highschools bestand diese aus mehreren einstöckigen Gebäuden und am Parkplatz gab es einen Sheriff, der aufpasste. Der Schulleiter begrüßte mich kurz und dann führte meine Gastmutter zu einem Lehrer-Büro, in dem wir die letzten Dokumente überprüfen ließen. Die Lehrerin führte mich anschließend in der Schule herum und zeigte mir meine vier Klassen.
In der Highschool hat man eine bestimmte Anzahl an Kurse in einem Semester zu absolvieren und eine bestimmte Anzahl an Stunden. Man darf sich seine Kurse selbst aussuchen, muss aber am Ende des Semesters bestimmte Kurse wie Mathe oder Englisch gemacht haben.
Da ich allerdings nur drei Monate bleiben würde, durfte ich mir die Kurse aussuchen, die noch Plätze frei hatten und brauchte keine Pflichtkurse machen.
So bekam ich:
1. Klasse = Agrar Culture
2. Klasse = PE 2 (Physical Education / Sport)
3. Klasse = Advanced Reading
4. Klasse = Personal Finance
Die Lehrerin, die mir alle meine Klassenräume, einschließlich Cafeteria und Library gezeigt hatte, führte mich hinter die Schule zu einem Gewächshaus, wo meine Agrar-Klasse war.
Ich wurde von dem Lehrer mit einem starken südlichen Akzent begrüßt und immer, wenn er mich etwas fragte, musste ich ihn bitten es zu wiederholen – so schwer verstand ich ihn (bzw. gar nicht).
Drei Mädchen führten mich ins Gewächshaus, wo wir die kleinen Pflanzen, die in Blumentöpfen und Pappbechern waren, gießen sollten. Dabei veranstalteten die Mädchen aber eine ganz schöne Sauerei und schließlich führte der Lehrer uns in den Klassenraum der Klasse zurück.
In PE 2 sah ich ein Mädchen aus der Gemeinde wieder, die ebenfalls in meinem Kurs war, und wir unterhielten uns. Die Lehrerin war krank, so gab es einen Substitute (Vertreter), der die Jungs Volleyball spielen ließ, während wir Mädchen am Rand saßen und zuschauten.
Neben mir gab es auch zwei andere Austauschschülerinnen, eine aus der Türkei und eine aus Spanien.
Nach der langweiligen PE 2 Stunde kam Advanced Reading, wo die Lehrerin uns einen Text gab und uns die Unterschiede zwischen summarize und quote und noch etwas drittem erklärte.
Anschließend sollten wir selbst den Text nochmal lesen und dann diese drei Arten anwenden.
Ziemlich öde! -.-
Als letztes kam Personal Finance und das war schrecklich. Die Lehrerin hatte eine schneidende laute Stimme und redete über Schulden, Kreditkarten und wir schauten ein Video von Dave Ramsey, wo uns eingehämmert wurde uns ja keine Kreditkarten zu sammeln. Oder Schulden zu machen.
Dann gab es ein Quiz, in dem die Lehrerin, die Fragen an uns stellte, aber niemand antwortete, und sie die meisten Fragen selbst beantwortete.
Ich bin erstaunt, wie vertraut und entspannt die Lehrer und Schüler miteinander umgehen, aber eben auch niemand wirklich wert auf Antworten von Schülerseite her legt. Da kann der Lehrer sich am Anfang mit dem Schüler unterhalten, als würden sie jeden Samstag bei Starbucks einen Latte schlürfen, aber sobald was gefragt wird zum Unterrichtsstoff, herrscht Ruhe und niemand weiß die Antwort.
Es scheint die Lehrer nicht zu stören, es fällt ihnen nicht mal auf und die Schüler können im Grunde genommen alles machen, die Lehrer juckt das nicht groß.
Ein Schüler legte sich zum Beispiel auf zwei Stühle und wollte ein Nickerchen machen, die Lehrerin machte nur einen Kommentar und fuhr dann im Unterricht fort, während der Schüler in seiner entspannten Pose blieb.
Manche Schüler lasen, manche nutzten ihre, von der Schule zur Verfügung gestellten Chromebooks, manche legten ihren Kopf auf den Tisch und schliefen – und die Lehrer machten mit ihrem Unterricht weiter, als würde nichts davon passieren.
Um 2 Uhr 40 klingelte es und alle Schüler machten sich zu ihren Autos oder den Bussen auf.
Der Bus fuhr von der Schule und hielt an verschiedensten Häusern, um Schüler abzusetzen. An der Grundschule stiegen die Grundschüler hinzu und um 3 Uhr 10 wurden ich und meine Gastgeschwister an unserem Haus abgesetzt.
Am Abend des Tages besuchten meine Freundin und ich den Jugendkreis der Gemeinde, der eigentlich recht langweilig war. Der Lobpreis war ziemlich kurz, die Predigt nicht sonderlich interessant und die Gespräche danach waren größtenteils von Schweigen erfüllt.
Am Freitag änderte ich meinen Stundenplan mithilfe der Hilfslehrerin, um mit meinen Freunden die meisten Klassen zu verbringen.
So habe ich seitdem:
1. Klasse = Art (Kunst)
2. Klasse = PE 2
3. Klasse = Agrar Culture
4. Klasse = Personal Finance
Kunst war entspannt, einfach malen, malen, malen (und zwischendurch heimlich lesen).
PE 2 war anstrengend und spaßig zugleich mit Gewichtheben, Kniebeuge, Tennis und Volleyball (Jungs und Mädchen sind getrennt, was ich richtig vernünftig finde).
Agrar Culture hatte ich ab sofort mit meinen Freunden, wobei es mir immer noch schwerfällt den südlichen Akzent des Lehrers zu verstehen.
Der Sohn meiner Gastmutter ist auch im Agrar Culture Kurs und spricht sehr gut Deutsch, weshalb wir uns in der ersten Stunde auf Deutsch unterhielten, es dann aber in den folgenden unterließen.
Personal Finance ging wieder um Schulden und Kredit.
Die Mittagspause, die ich beim ersten Stundenplan nach der zweiten Klasse hatte, hatte ich beim neuen Stundenplan nach der dritten, wodurch mir der Schultag kürzer erschien.
Während der Mittagspause saß ich nicht in der Mensa (zuerst schon, aber nach Stundenplan-Wechsel nicht mehr), sondern draußen mit dem Sohn meiner Gastmutter und meinen Freunden.
Es gibt zwei Gerichte zur Auswahl (oder einen Salat), ich aber hatte etwas falsch verstanden und nahm von beiden Gerichten. Erst als mich mein Gastbruder darauf aufmerksam machte, unterließ ich es (allerdings erst zwei Tage später).
Die Portionen waren sehr klein und ich bemühte mich so viel rauszuholen, wie möglich. Es gab zum Beispiel ein PB’n J auf Nachfrage. PB’n J ist ein Peanutbutter-and-Jelly-Sandwich. In den Personal Finance Stunden fing ich an mir Geschichten auszudenken und sie aufzuschreiben. Dadurch wurden diese Stunden viel spaßiger.
Sonntags ging es in die Kirche und anschließend zu „Wendy’s“ bei dem überraschend viele alte Leute waren. Mit der Gastfamilie waren wir bei „Hobby Lobby“ einem Laden, der Schmuck, Kunst, Keramik, etc. verkauft, wir drehten eine Fahrradrunde durch den Wald, gingen an einen See paddeln und schwimmen und ich lieh mir ein paar Bücher in der nahliegenden Bibliothek aus.
Am Abend des 18en Septembers kamen zwei Hunden auf das Grundstück gerannt und jagten das Reh.
Meine Gastgeschwister und ich gingen los und suchten das Reh, trafen auf einen Beagle, der neugierig um uns herumstreifte. Mein kleiner Gastbruder hatte eine Machete dabei, mit dem er den Hund bedrohte, der davon ganz unbeeindruckt war.
Nachbarn kamen auch und halfen uns mit ihrem Truck, einer der Nachbarsjungen hatte ein richtiges Maschinengewehr dabei, mit dem er die Gegend absuchte, um notfalls den einen Hund (nicht den Beagle) abzuschießen. Er hatte auch ein Nachtsichtgerät dabei.
Es gab zwei Hunde, den Beagle fingen wir ein und banden ihn an einen Baum, den zweiten sogenannten bösen Hund fanden wir nicht, dafür aber das Reh und noch etwas anderes.
In Tagen davor hatte ich nach meinem Portemonnaie (Wallet auf englisch) gesucht, in dem sich $ 150 befanden. Ich suchte überall fand es nicht, ich betete und fand es immer noch nicht.
Und dann während der Suche nach dem Reh fand meine Gastmutter es mitten auf dem Feld, an der Stelle, an der der Jeep vorbeigefahren war.
Ich war so glücklich! Und ziemlich beeindruckt von dem Jungen mit seinem Gewehr.
Das Gym (das Fitnessstudio in dem meine Freundin und ich mit ihrer Oma waren) ist echt genial.
Dort gibt es nicht nur einen Fitnessraum mit Laufbändern und Fahrradmaschinen, die übrigens auch einen Bildschirm haben, sodass man digitale Spiele spielen und simulierte Bike-Touren machen kann, sondern es gibt auch ein Schwimmbad, einen Tennisplatz, eine Basket- und Volleyballhalle und eine Squashhalle.
Hier auf dem Land ist es natürlich, dass jeder Weg (egal, ob zur Kirche oder zum Gym) mindestens eine halbe Stunde lang ist. Dabei kommt man aber an Wäldern, Wiesen und Häusern vorbei. Die meisten Häuser sehen sehr heruntergekommen, dreckig und unordentlich aus und haben meistens nur ein Stockwerk (überraschend für mich, die ich dachte, amerikanische Häuser sind riesig).
Übrigens ist mit dem Wort „Farm“ ein einfaches einstöckiges Haus mit einer Scheune und einem Garten gemeint).
Die Kirchen, die es in jeder Ortschaft gibt, sind hauptsächlich baptistisch oder presbyterianisch, die amerikanische Flagge hängt an jedem Haus.
Auch natürlich ist, dass jeder Teenager über 15 ein Auto und einen Minijob hat.
In einigen Second-Hand-Läden war ich schon, auf einer großen Straße mit Läden links und rechts, die man allerdings wirklich nur mit Auto erreichen kann.
Seltsames Gefühl auf einem Gehweg zu laufen, als einzige, während die Straßen doppelt so breit sind wie in Deutschland und mit Autos vollgestopft. Vor jedem Laden riesige Parkplätze und in manchen Orten gar keine Gehwege.
Wer läuft sind die Obdachlosen und mit dieser Tatsache als Hintergedanken fühlt es sich sehr komisch an. Spazieren gehen lässt es sich nicht so einfach, ohne Gehwege und die Autos fahren auf jeder Straße, als sei es ein Highway.
Als wir eine kleine Fahrradtour durch den Wald unternommen haben und an einem Auto vorbeikamen, fragte uns der Fahrer, ob wir Hilfe benötigten und meine Gastmutter erklärte mir, dass, wenn Leute Fahrrad fahren, andere denken, ihr Auto sei liegen geblieben und sie suchten nach Hilfe.
Es bestätigt sich mein Verdacht: Amerika ist für Autos und nicht für Menschen gemacht.
Wer kein Auto hat, muss jemanden finden, der einen überall hinbringt und ansonsten, ist man hier sehr, sehr abgeschottet.
Die sogenannte Shopping Mall, die ich einmal besuchen war, war ziemlich klein, hatte kein zweites Stockwerk und es gab nur vier oder fünf Läden.
Schießen war ich auch schon. Mit richtigen Munitionen. Mein Gastbruder brachte es mir bei.
Zwei Gewehre und zwei Pistolen durfte ich entsichern und mit ihnen schießen.
Und eine Flasche musste büßen.
In der Highschool ist es wirklich gar nicht wie im Film. Bis jetzt habe ich keine Cliquen kennengelernt und in den Klassen redet jeder mit jedem. Die Mädchen tragen einfach T-Shirt und Leggins / Jeans und wenige tragen Schmuck. In die meisten Kleidergrößen der Mädchen könnte ich wirklich doppelt oder dreifach reinpassen und bis jetzt habe ich, trotz ausführlicher Suche immer noch nicht eine passende Second-Hand-Jeans gefunden.