3. Kapitel: Sportstunde
Doch dazu kam es nicht, denn nach den ersten zehn Minuten im Homeroom hatte ich Physical Education, das eines der Pflichtfächer war, und das hatte ich nicht mit Rachel. Dafür aber mit Noemi und Laura. Jungs und Mädchen waren getrennt und die Mädchen waren deutlich weniger als im Homeroom.
In der Umkleidekabine setzten sich Noemi und Laura links und rechts von mir hin. “Ich hab gehört, wir machen Gewichtheben und spielen Tennis.”, eröffnete Noemi ein Gespräch. “Unsere Lehrerin ist Mrs. Samantha und die ist echt furchtbar. Meine Schwester hatte sie letztes Jahr in PE.”, stöhnte Noemi und verdrehte die Augen. “Und jetzt muss ich dich ertragen, Noemi.”, ertönte eine trockene Stimme und die Sportlehrerin kam von der Sporthalle in die Kabine.
Noemi wurde knallrot und schwieg. Ich betrachtete unsere Sportlehrerin.
Sie war sehr groß, ca. 1, 80 m, kräftig gebaut und hatte kurz geschnittenes Haar, das sie in einen Zopf gebunden hatte. Im Gegensatz zu einigen von uns steckte sie bereits in Jogginghose, Sportjacke und Schuhen mit zentimeterdicker Sohle. Ihr Gesicht hatte trotz ihrer scharfen Gesichtszüge und ihrem eckigen Kinn eine freundliche Ausstrahlung, aber man sah ihr gleich an, dass sie hart und streng im Nehmen war. Sie ließ ihren Blick über uns schweifen und ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen als sie mich sah. Ich lächelte zurück, doch da blickte sie bereits tadelnd zu den anderen Mädchen und sagte: “Ihr seid ja immer noch nicht angezogen. Los, wir machen hier keine Ferien!”
Und damit verschwand sie wieder. Ich zog mir meine Jacke über und folgte Noemi und Laura, die bei den Toiletten auf mich warteten. Noemi sah gequält zu uns beiden. “Sie hat mich erkannt. Furchtbar.”
Verwirrt sah ich sie an. “Was ist furchtbar?” Laura meinte mit ihrer leisen Stimme: “Noemis Schwester hat Mrs. Samantha letztes Jahr ins Krankenhaus gebracht, da sie bei einigen Squat-Übungen den Gewichtbeladenen Barren auf ihr linkes Bein fallen ließ. Gut 90 Kilo und das hat Mrs. Samantha ihr nicht verziehen. Jetzt ist die kleine Schwester dran.”
“Ganz genau.”, murmelte Noemi jämmerlich.
Die anderen Mädchen kamen aus der Umkleide in die große Sporthalle, die Sitzbänke auf der linken und eine Empore auf der rechten Seite hatte. In der Mitte war eine Trennwand gerade hinaufgezogen worden und auf der uns gegenüberliegenden Wand war ein Basketballkorb angebracht. Auf dem Boden waren Linien verzeichnet. Mrs. Samantha kam aus ihrem Büro und blickte uns der Reihe nach an. Dann rief sie unsere Namen auf.
Ein Mädchen fehlte. Nach der Zählung herrschte Schweigen. “Holt euch einen Ball und dann spielt ihr Volleyball, zack.” Eingeschüchtert huschten wir in den Raum mit den Sportgeräten.