9. Kapitel: Ärger
Nach einer Weile ertönte der Ruf einer Trompete, die die einschläfernde Stille durchbrach und uns beide aufschrecken ließ.
Abrupt ließen wir unsere Hände los und sprangen auf. Ich wurde rot, als sich unsere Blicke begegneten, doch dann schaute Noah schnell weg.
Noch ein Ruf ertönte, diesmal war es Mr. Nolan, der rief: „Alle Schüler aus der 7B versammeln sich am Holzpfahl.“
Die meisten Schüler waren im umliegenden Wald verschwunden, um Fange zu spielen und so auch Noemie, Lars, Kane und Laura.
Suchend sah ich mich nach dem Pfahl um, während Noah sich aufmachte, um Noemi, Laura, Kane und Lars zu holen. Da entdeckte ich den hohen, schwarzen Pfeiler aufragen, links vom Haus in einigem Abstand zum See.
Schnell eilte ich darauf zu, doch da tauchten wie aus dem Nichts drei große Gestalten auf, die meinen Weg kreuzte und ich prallten gegen die größte von ihnen. Im nächsten Augenblick wurde ich unsanft zu Boden gestoßen und eine Taschenlampe leuchtete mir grell ins Gesicht, sodass meine Augen, die sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, einen Moment lang nichts sehen konnten und zu jucken begannen.
Verwirrt versuchte ich mich auf meinen dreckigen Händen wieder aufzustützen, um mir den nassen Schmutz von der Hose zu klopfen, doch wieder spürte ich einen Fußtritt und landete erneut auf der Erde.
„Was haben wir denn da?“, erklang eine dröhnende, männliche Stimme, die im Stimmbruch zu sein schien.
Die Taschenlampe strahlte mir grässlich hell ins Gesicht und ich versuchte die Gestalten hinter dem Licht zu erkennen.
Im Halbdunkel nahm ich zwei Jungen und ein Mädchen wahr.
Die beiden Jungen schienen um die sechszehn und waren kräftig gebaut, mit breiten Schultern und muskulösen Oberarmen.
Nur ihre Gesichter passten nicht ganz zu ihrem guten Körperbau.
Der Junge, der die Taschenlampe hielt, hatte strohblondes, krauses Haar und sein Gesicht war mit kleinen, rosa Pickeln übersäht.
Zudem hatte er eine große, krumme Nase, die aus seinem Gesicht hervorragte wie ein steiniger, zackiger Berg.
Der zweite Junge hatte pechschwarzes Haar, das ihm in dünnen, fettigen Strähnen herabfiel und obwohl sein Gesicht keine Pickel hatte, die es verunstalteten, zogen sich viele, lange Narben über beide Wangen und Nase.
Seine Nase war ungewöhnlich klein, schmal und zart, was im ziemlichen Gegensatz zu seiner Stimme stand, die ebenso laut, rau und dröhnend war wie die seines Freundes, als er donnerte: „Wer bist du denn, dass du dein hässliches Gesicht in unsere Nähe wagst?“
Total überrumpelt starrte ich die drei an und wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Sag mal, haben wir einen Film verpasst? Läuft heute ‚Lord of Rings‘ im Landhaus-Kino?“, rief der blonde Junge und deutete auf mich, worauf das Mädchen, das sehr groß, dünn und blond gelockt war, laut und gekünstelt zu lachen anfing und mit spitzer Stimme kommentierte:
„Schaut mal, das ist Gollum!“
„Oh mein Gott, ja!“, rief der blonde Junge und seine beiden Freunde rasteten aus vor Lachen. „Hey“, meldete ich mich leise zu Wort und stand langsam auf, um davon zu gehen, „Das war ein Versehen, ich wollte euch nicht…“
„Warte, warte!“, schrie der schwarzhaarige Junge laut, als wäre ich schwerhörig, und stieß mich wieder zu Boden, diesmal unsanft, sodass ich mir beim Sturz die Hände aufschürfte. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte den stechenden Schmerz zu unterdrücken, während ich vorsichtig versuchte, meine Hände an der ohnehin dreckigen Hose abzuwischen.
„Du hast unseren Weg gekreuzt, du Missgeburt!“, rief er und obwohl ich sein Gesicht nicht genau erkennen konnte, hörte ich deutlich den Hass in seiner Stimme und die Schadenfreude.
„Ja, das war ein Versehen.“, gab ich beruhigend von mir.
„Sorry, ey, aber das reicht mir nicht als Entschuldigung.“, rief der blonde Junge gehässig und trat mit seinem Fuß gegen mein Knie, wo ich gerade meine Hand hatte. Wieder durchzuckte mich Schmerz, aber ich ignorierte ihn und versuchte wieder aufzustehen.
Ich kam mir gedemütigt vor, in dieser Haltung, auf den Knien.
Aber das schien den dreien gerade die richtige Position für mich.
„Entschuldige dich, dann prügeln wir dich möglicherweise nicht windelweich.“, sagte der Blonde und es klang drohend.
„Nein, dann prügeln wir dich nur so weich, dass du deine Knochen als Brei in eine Schüssel tun kannst.“, rief der schwarzhaarige Junge und es klang, als machte es ihm Spaß grausam zu sein.
Dem Mädchen wurde es anscheinend unwohl, denn sie meinte jetzt etwas leiser: „Okay, lasst mal, Jungs. Ihr hattet euren Spaß. Wir müssen gleich bei Mrs. Johnson sein.“ Ich blinzelte überrascht. Diese drei waren in Mrs. Johnsons Klasse? Das hieß, dass sie kaum älter waren als ich und sogar in meiner Parallelklasse. Mich durchfuhr es eiskalt. Und mit denen sollte ich die Highschool verbringen? „Scheiß auf Mrs. Johnson, Alice!“, fluchte der blonde Junge. „Die Kleine stört. Die bekommt jetzt eine Lektion erteilt.“
„Übertreib nicht, Gabe. Lass sie einfach. Außerdem kommt Mr. Nolan gleich. Ich wette, sie ist in deren Klasse.“, erklang wieder die Stimme von Alice und sie klang beunruhigt. „Ja, deren Klasse. Genau deshalb.“
Gabe beugte sich runter. Ich blickte in sein wutverzerrtes Gesicht und roch seinen faulen Atem. „Deine Klasse stört. Du störst. Wir wollen euch nicht, ihr Schisser.“ Ich blinzelte perplex und schüttelte den Kopf über so viel Dummheit. Mit kühler Stimme antwortete ich: „Tja, daran kannst du nichts ändern. Wir gehen auf dieselbe Schule. Und das wird sich nicht ändern.“
„Nein, aber wir können dir den Schultag zur Hölle machen.“ Er packte meinen Arm und bog ihn langsam nach hinten. Es fühlte sich an als würde mir jemand in aller Seelenruhe den Arm ausrenken. Ich unterdrückte einen Schmerzensschrei. Leise und bedrohlich sagte er: „Jeden einzelnen Tag können wir dir zur Hölle machen.“ Die Angst verlieh mir Kraft und ich schaffte es mich loszumachen.
„Warum?“, erwiderte ich furchtlos und sprang auf. „Weil ich dich aus Versehen angerempelt habe?“
„Missgeburt!“, schimpfte Gabe und versetzte mir einen heftigen Fußtritt gegen das Schienbein. „Hey!“, ertönte da eine laute Stimme und mein Herz machte einen erleichterten Satz. Noah, Kane, Laura und Noemi kamen angerannt und drängten sich wie eine schützende Mauer zwischen mich und die drei Gegner.
„Was soll das?“, rief Noah wütend und obwohl er kleiner war als Gabe und sein Freund, baute er sich furchtlos vor ihm auf. „Lasst Jill in Ruhe!“
Gabe zog die Nase hoch und spuckte Noah verächtlich vor die Schuhe.
„Von dir lass ich mir nichts sagen!“
Kane sprang wütend vor und schnaubte wie ein wilder Stier: „Ihr lasst Jill in Ruhe ansonsten werdet ihr es bitter bereuen.“
Er war fast einen Kopf größer als die beiden und vor ihm schienen sie Respekt zu haben. Nun verunsichert gingen sie einige Schritte zurück.
Aber ihre Stimmen klangen immer noch gehässig, als sie wütend blafften: „Eure kleine Freundin war uns im Weg.“
„Ihr seid mir in den Weg gelaufen!“, gab ich mutig zurück.
Gabe funkelte mich an, als wollte er mich auf der Stelle umbringen. Mir lief es eiskalt über den Rücken bei diesem Blick.
„Hauen wir ab, Gabe!“, schlug der schwarzhaarige Junge ängstlich vor.
„Moment mal!“ Kane ließ seine Hand auf Gabes Schulter hinabfallen wie eine schwere Bärenpranke. Gabe erbleichte.
„Ihr beiden seid mir schon am ersten Tag aufgefallen. Wenn ihr Stress mit Jill wollt, habt ihr auch Stress mit mir.“, sprach Kane mit ruhiger, aber ernster Stimme, die eine Drohung innehielt.
„Und mit mir.“ Noah wirkte plötzlich nicht mehr so klein, sondern stand mit geradem Rücken da und blickte die beiden Jungs direkt an.
Alice zischte leise: „Lasst uns abhauen.“
Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen; sie drehten sich um und verschwanden eilig im Dunkeln. „Das waren welche aus der Parallelklasse, oder?“, sagte Noemi überrascht. „Ich wusste gleich, dass sie Ärger machen.“, behauptete Kane wütend und starrte ihnen nach. „Alles in Ordnung, Jill?“ Noah blickte mich prüfend an und reichte mir dann seine Hand.
Dankbar nahm ich sie und rappelte mich auf.
Als ich an mir herabblickte, stellte ich fest, dass ich über und über mit Dreck besudelt war und meine Hände dreckig und blutig waren.
„Oh Mann.“, stöhnte ich entsetzt. „Das hat mir gerade noch gefehlt.“
„Mr. Nolan hat beschlossen, dass wir uns doch auf der Lichtung in der Nähe treffen.“, berichtete Noemi und stützte mich.
„Ich weiß gar nicht, was die so gegen mich hatten.“, murmelte ich ratlos und biss die Zähne zusammen, um den Schmerz meiner Hände und Knie zu unterdrücken.
„Die ganze Klasse ist so drauf. Das ist die Problemklasse.“, klärte mich Noah auf und ich blickte ihn erstaunt an.
„Wie?“, fragte ich verwundert.
„Das sind die Assis. Die meisten von denen rauchen seit der Junior High, besaufen sich, sind in Schlägereien verwickelt und verticken Drogen.“, erklärte er mir. „Echt?“ Ich war schockiert.
Alle fünf nickten.
„Lasst uns gehen.“, schlug Lars vor.
Kurze Zeit später standen wir als Klasse versammelt um Mr. Nolan herum, der uns mitteilte, was in den nächsten Tagen geplant war.
Morgen würde es verschiedene Angebote geben.
Der Ranger würde mit denen, die interessiert waren, noch einmal durch den Wald streifen, ihnen geheime Lichtungen und einen Wasserfall-Pfad zeigen und weitere Dinge über die Natur und die Tiere erläutern.
Ein Reiterhof in der Nähe bot einige Lernstunden an, in denen man auf den Pferden um den See und die umliegenden Wiesen reiten durfte, man die Grundlagen des Reitens gelehrt bekam und am Ende als Bezahlung die Box ausmisten und das Pferd säubern musste.
Ein paar Mitarbeiter des Landhauses boten Kanu- und Kajakfahren auf dem See an und der Besitzer des Angelvereins gab die Möglichkeit richtig angeln zu lernen und sogar einen Angelschein zu erwerben.
Doch was erst so abwechslungsreich und wahlfrei klang, entpuppte sich schnell als verpflichtend und bestimmt, denn Mr. Nolan hatte bereits durchgeplant.
Morgen würden wir Kanufahren und Angeln und übermorgen reiten.
Einige Schüler stöhnten genervt, doch ich war ganz aufgedreht und fröhlich genauso wie meine Freunde.
Noah freute sich schon aufs Kanufahren, Lars und Kane konnten das Angeln kaum abwarten und wir Mädchen rasteten fast aus, als wir erfuhren, dass wir am letzten Tag reiten würden.
Überglücklich gingen wir auf unsere Zimmer und Noemi und ich konnten uns kaum beruhigen. „Das ist einfach abgefahren! Wir werden reiten!“, kreischte sie und ich musste lachen. Laura hingegen blieb ganz ruhig und begann schon sich den Schlafanzug anzuziehen. Wir sahen sie verwundert an.
„Jetzt kommt doch erst noch das Abendprogramm.“, rief ich und warf meine Jacke an den Haken neben der Tür.
„Genau!“, sagte Noemi aufgeregt. „Wie kannst du so ruhig sein, wo wir morgen doch Kanu fahren und Angeln und übermorgen reiten?“
Laura zuckte mit den Schultern. „Ich freu mich ja.“, murmelte sie, aber es klang nicht überzeugend. Noemi und ich wechselten einen ratlosen Blick und beschlossen, sie einfach in Ruhe zu lassen. Kaum hatten wir unsere Jacken und Schuhe ausgezogen, da klopfte es an der Tür.
Noah steckte seinen Kopf hinein. „Störe ich?“, fragte er und lächelte herzerwärmend, dass ich spürte, wie meine Wangen ganz warm wurden.
„Ganz und gar nicht.“, meinte ich und lächelte einladend.
„Bist du aufgeregt?“, fragte Noah. „Oder warum sind deine Wangen so rot?“
Jetzt wurden sie noch röter. „Ähm…“, räusperte ich mich. „Ich freue mich auf morgen.“ Warum sah er auch so süß aus, wenn er lächelte? Verzweifelt bemühte ich mich nicht in sein Gesicht zu starrte. Mir kam der Moment am Lagerfeuer in den Sinn, als er meine Hand gehalten hatte? Warum hatte er das getan?
Nicht das ich, das unangenehm gefunden hatte, ganz und gar nicht aber…
„Und übermorgen!“, quietschte Noemi und riss mich aus ihren Gedanken. „Kanu fahren, Angeln und Reiten! Besser geht’s nicht!“
Noah schenkte ihr ein Lächeln, von dem ich mir plötzlich wünschte, er hätte es mir geschenkt. „Stimmt. Ich freu mich auch schon.“
Er kam ins Zimmer, lehnte sich gegen die Wand und steckte die Hände in die Hosentaschen. In diesem Moment wünschte ich mir, er würde für immer hierbleiben und ich könnte die Zeit anhalten.
„Kommt ihr?“, fragte er und hob die Augenbrauen, als sein Blick auf Laura fiel, die im Schlafanzug in ihr Bett kroch.
„Ich geh schlafen.“, beschloss Laura und zog sich kurzerhand die Decke über den Kopf. Verwundert blinzelte ich und war einen Moment ziemlich perplex.
Noah kratzte sich verlegen am Kopf. Dann wandte er sich an mich und Noemi. „Kommt ihr beiden wenigstens?“, fragte er und lächelte ratlos.
Ich nickte heftig. „Klar, ich will doch das Abendprogramm nicht verpassen.“ Vor allem aber will ich die Zeit mit dir nicht verpassen., dachte ich und zuckte überrascht zusammen bei diesem plötzlichen Gedanken.
Blöd, dass ich wieder rot wurde. Noahs Blick wanderte von mir zu Noemi. Ich fächelte mir Luft zu. Sollte er denken, ich schwitzte.
„Und das Abendessen.“, ergänzte er und lächelte mich so strahlend an, dass mir nicht nur an den Wangen, sondern auch im Bauch ganz warm wurde. Es lag mir auf der Zunge hinzuzufügen: „Solange du dabei bist, bin ich auch dabei.“
Doch ich konnte mich gerade noch davon abhalten.
Unten im Speisesaal gab es Hotdogs.
Ungläubig und fasziniert starrte ich auf die Köstlichkeit, als wäre sie ein heiliger Gegenstand.
„Hotdogs?“, platzte es laut aus mir raus.
Noah musste lachen. „Ja, Hotdogs. Und?“
Ich wurde ein wenig rot. „Ich habe das letzte Mal einen Hotdog gegessen, da war ich fünf und ich kann mich nicht mehr an den Geschmack erinnern.“
Er hob überrascht die Augenbrauen. „Wirklich?“
Ich nickte und konnte meinen Blick nicht von der heiligen Speise abwenden.
Mein Magen begann zu knurren.
Noah tätschelte fürsorglich meinen Arm. „Du bekommst schon genügend.“, beruhigte er mich und ich wurde rot. Obwohl das Gefühl seiner Hand auf meinem Arm keinesfalls unangenehm war. Er lächelte mich an und ich versuchte nicht zu glücklich zurück zu lächeln. Wieder wünschte ich mir, die Zeit möge stehen bleiben. Doch dann riss mich die Kuhglocke der Köchin aus den Gedanken und ich stürzte mich an die Theke, wo ich mir einen Teller krallte und ungeduldig mit den Fingern auf dem Glas der Theke tippelte.
Noah begann zu kichern, als er meinen gierigen Blick sah, mit dem ich mein Hotdog betrachtete, der sich immer mehr mit sauren Gurkenscheiben, Ketchup, Röstzwiebeln, Mayo und einer dampfenden Wurst füllte.
Auch der Köchin, einer pummeligen, freundlichen Dame Mitte dreißig, schien das aufzufallen, denn sie fragte: „Hast du besonders Hunger?“
Mit hungrigem Blick antwortete ich sehnsüchtig: „Ich habe seit meinem fünften Lebensjahr kein Hotdog mehr gegessen!“
„Oh.“ Die Köchin war erstaunt und lächelte anteilnehmend. „Dann mache ich dir gleich ein zweites.“
Schon lag der erste Hotdog auf meinem Teller, hinter mir drängelten sich ungeduldig die anderen Schüler, während die Köchin geschickt und flink einen zweiten füllte, der wenige Sekunden später auf meinem Teller landete, neben seinem Artgenossen.
Ich ergriff heißhungrig den Teller und wartete neben Noah.
„Dein Freund hat sicher auch Lust auf zwei Hotdogs?“, fragte mich die Köchin und Noah erwiderte mit höflichem Lächeln: „Nein danke, erstmal nur eines.“ Er mit einem und ich mit zwei Hotdogs bestückt, schlängelten wir uns an den Schülern vorbei, zu unserem Tisch am Fenster, der leer war, denn Noemi, Lars und Kane standen hungrig wartend in der Schlange.
Ich blickte mein Hotdog lange an, während Noah seines schon fast aufgegessen hatte, sich schließlich den letzten Rest in den Mund schob, kaute und lachte. „Iss doch jetzt endlich.“
„Gleich.“ Ich hob gebieterisch die Hand und sah meinen Hotdog verträumt an.
„Er sieht so lecker und gleichzeitig so perfekt aus…“, murmelte ich und seufzte ergeben.
Dann nahm ich den ersten und biss vorsichtig ab.
Eine Geschmacksexplosion und meine Geschmacksnerven wurden in den siebten Himmel katapultiert.
Ich verdrehte genüsslich die Augen und seufzte genießerisch. „Absolut köstlich.“
Noah musste prusten. „Du siehst aus, als hättest du nie etwas besseres gegessen.“
„Ab jetzt hab ich auch nichts besseres gegessen.“, erwiderte ich und aß vorsichtig und langsam mein Hotdog auf.
Noah schüttelte grinsend den Kopf. „Es ist nur ein Hotdog.“
„Und der beste, den ich je gegessen habe.“, murmelte ich und biss in den zweiten.
„Du hast erst deinen dritten Hotdog in deinem ganzen Leben gegessen, da kannst du schlecht beurteilen.“, konterte er und stupste mich an.
„Iss doch auch einen.“, forderte ich ihn auf und hob die Augenbrauen.
Er winkte ab. „Ich hab mich schon mit Marshmallows vollgestopft, als du am See saßt und geheult hast.“, sagte er und es klang scherzhaft.
„Nicht fair!“, nuschelte ich und versetzte ihm mit meiner freien Hand einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter.
Er musste grinsen und ich auch, wobei ich scharf aufpasste, dass mir keine undefinierbaren, matschigen Hotdog-Krümel aus dem Mund fielen.
Lars, Kane und Noemi kamen zurück an den Tisch, jeder einen Teller in der Hand mit jeweils drei Hotdogs.
„Was?“ Ich sprang auf und stieß mit meinen Knien gegen den Tisch. „Ihr habt drei bekommen?“
„Neidisch?“, zog mich Noemi auf und ich rief empört: „Allerdings!“
Alle vier lachten. „Für jeden Schüler gibt es drei Hotdogs.“, klärte Noah mich auf.
Ich machte ein langes Gesicht. „Woher weißt du das denn?“
Er zuckte mit den Schultern. „Geraten.“
Kane grinste. „Richtig geraten. Drei für jeden.“
„Das heißt, dass ich noch einen darf!“, jubelte ich und griff meinen Teller. „Du darfst noch drei.“, sagte Noah und lächelte mich an, wobei mir wieder ganz angenehm warm wurde.
„Du kannst meine haben!“, bot er freundlich an, worauf ich die Augen aufriss.
„Echt jetzt?“, rief ich ungläubig.
„Du hast gerade mal drei Hotdogs in deinem gesamten Leben gegessen, du verdienst mehr.“, sagte er mit seiner typisch weichen Stimme und lächelte mich an. Nur mich.
Ich lächelte so breit, dass ich meine Augen beinahe ganz zusammenkniff, und voller Dankbarkeit umarmte ich meinen Freund.
Er wurde etwas rot, lächelte aber fröhlich und schob mich weg. „Jetzt hol dein Fressen.“, befahl er und mit einem abschließenden Lachen machte ich mich auf zur Theke.
An der Theke begrüßte mich die Köchin mit einem belustigten Grinsen. „Willst du deinen letzten Hotdog abholen?“
„Eigentlich drei weitere.“, sagte ich und erzählte: „Mein Freund Noah hat mir seine angeboten.“
Die Köchin hob erstaunt die Augenbrauen und lächelte dann erfreut. „Dann sag deinem Noah, dass er ein netter Kerl ist.“ Ich lächelte, wobei ich nicht verhindern konnte, dass meine Wangen sich rosa färbten. Mein Freund Noah. Mit einem breiten Lächeln ging ich zurück zum Tisch meiner Freunde, wobei ich den Teller mit den Hotdogs vor mir hertrug wie die Kronjuwelen der Königin.